Klasse 4c der Grundschule am Gernerplatz, Puchheim (Schuljahr 2016/17)

… Als sie die Schritte gehört hatte, packte Rosenblau ihren Freund am Arm. „Pst, da kommt jemand!“, zischte sie. „Es sind mindestens drei Leute, vielleicht auch mehr. Und sie sind schon ganz nah. Komisch, dass ich die zuvor nicht gehört habe. Schnell, wo können wir uns verstecken?“
„Na hier, bei diesen Brombeeren. Das Gebüsch ist sehr dicht,“ antwortete er mit normaler Sprechstimme, was Rosenblau zu einem energischen „Pscht!!!“ veranlasste. Er aber hatte sich schon umgedreht und zog sie an der Hand seitlich hinter die dichteste Stelle des Gestrüpps. Die Zweige waren hoch gewachsen und hingen von dort wieder herab, sie hatten schon dichte Blätter.
Leider auch harte, spitze Dornen. „Au!“, entfuhr es Rosenblau, sie versuchte den Schrei zu unterdrücken, mit dem linken Unterarm war sie an einer Dorne entlangeschrammt, bestimmt hatte sie sich eine Wunde gerissen und blutete. Der Junge betrachtete mitfühlend ihren Arm, dann drückte er sie noch dichter an sich, damit sie von draußen nicht gesehen würden.
Hinter den beiden war ein Luftzug zu spüren, es roch ein bisschen modrig. ‚Ob hier der Eingang einer Höhle ist?‘, überlegte das Mädchen. Dann muss sie groß und tief sein, sonst würde man nicht so viel Luftbewegung spüren.‘ Aber da wurde sie schon aus ihrer Überlegung gerissen, denn Rußschwarzchen schmatzte ein bischen und machte Bewegungen mit Zunge und Zähnen, er aß etwas, und zuvor hatte er auch noch etwas von dem Brombeerbusch abgerissen, das hatte sie ebenfalls deutlich gehört. Konnte er den süßen Brombeeren nicht widerstehen? „He!“, mahnte sie ihn so leise wie möglich, „Du isst doch wohl nicht diese Brombeeren? Die sind bestimmt vergiftet oder verzaubert.“
Er brummte nur etwas, aber dann zwang er sich, die süßen Früchte zu „übersehen“.
Inzwischen waren die Schritte sehr nahe gekommen, Rosenblau wagte nicht zu atmen. Eine scharfe Männerstimme befahl: „Da sind sie! Die schnappen wir uns. Bleib du hier stehen, falls uns einer entkommt!“
Eine Frauenstimme antwortete nur kurz: „Ja!“. Dann gab es heftige Bewegungen, von beiden Seiten drangen je zwei Männer hinter die Brombeerbüsche, packten die beiden in ihrem Versteck, zerrten sie grob nach vorne.
„Vorsicht, ich bin blind, ich sehe nichts!“, rief Rosenblau, aber da war es schon zu spät. Mit einem Fuß blieb sie am Gestrüpp hängen und stürzte nach vorne, erstaunlich geschickt aber fing sie den Sturz ab und federte zurück auf die Beine.
Die Frau, die vor dem Gebüsch gewartet hatte, sah das und meinte: „Sie sagt offenbar die Wahrtheit.“
Einer der Männer – ob es Räuber waren? – herrschte die zwei Jugendlichen an: „Was tut ihr hier?“
Rosenblau schoss ein rettender Gedanke durch den Kopf, den sie sogleich aussprach, wobei sie möglichst harmlos zu klingen versuchte. „Pilze“, antwortete sie. „Wir sind so arm und haben nichts zu essen, deshalb suchen wir Pilze. Wir wollten nachschauen, ob hier unter dem Gebüsch welche wachsen. Bitte, tun Sie uns nichts!“
Rußschwarzchen hatte die vier schwarz gekleideten, unrasierten und ungewaschenen Männer und die Frau gesehen, das mussten Räuber sein. Er bekam schreckliche Angst und fing zu stottern an: „Uuuund iiich hhhab aauch nnnur eine Bbbbeere gegegegessen. Eeehrlich! Nnnur eine!“ Dabei machte er ein sehr dümmliches Gesicht.
Der Räuber, der auch vorhin die Anweisungen gegeben hatte, meinte nach kurzer Überlegung: „Die eine ist blind, die kann den Weg zu unserer Höhle nicht verraten. Und der andere ist blöd. Die sind harmlos, lassen wir sie laufen. Mit dem Prinzen haben wir schon genug zu bewachen. Aber gut, Hexe, dass du die beiden von unserer Höhle aus gehört hast. So konnte ich mit ein paar von euch rechtzeitig rausschleichen, um zu sehen, wer da zu unserem Eingang kommt.“
Dann brachten die Räuber die beiden Jugendlichen auf dem schnellsten Weg zum Waldrand. Rosenblau sagte dabei kein Wort, und Rußschwarzchen machte es wie sie, er begriff ohnehin nicht, was hier geschah. Aber im Kopf des blinden Mädchens arbeitete es fieberhaft: Während sie zwischen zwei Räubern lief, bemühte sie sich, immer gleich große Schritte zu machen und zählte diese mit. Nach jeder Abbiegung begann sie von Neuem zu zählen und prägte sich so den Weg genauer ein, als es die meisten Sehenden gekonnt hätten. Und gleichzeitig überlegte sie: Diese Brombeerbüsche mussten wirklich den Eingang zur Räuberhöhle verbergen, das ließ sich aus dem Luftzug, den sie gespürt hatte, und aus den Worten der Räuber schließen. Und dort war offensichtlich der Prinz gefangen. Außerdem waren die Räuber deutlich mehr als vier, und bei ihnen war auch eine Hexe.
Erst als die Räuber vom Waldrand aus den beiden den Weg zum Dorf zeigten und sie allein weitergehen ließen, konnte sie wieder Rußschwarzchens Hand ergreifen und sich von ihrem Freund führen lassen. Dieser war froh, wieder die Nähe des Mädchens zu spüren, so fühlte er sich sicher und irgendwie glücklich.
Bald kamen sie am Dorf an, wo die Frauen inzwischen ihr Verschwinden bemerkt hatten. Die Männer waren noch immer nicht zurück, die Bäuerinnen waren in größter Sorge. Sie glaubten, die beiden Nachbarkinder wären einfach spazieren gewesen, die jeweiligen Mütter wollten gerade mit einer entsprechenden Standpauke anfangen, da konnte Rosenblau allen klarmachen, dass sie das Versteck der Räuber entdeckt hatten.
„Waaas? Ihr?“, riefen alle Bäuerinnen ungläubig. Aber Rosenblau berichtete völlig klar und präzise, da wollten sich die Frauen gleich zu der Höhle hinter dem Brombeergestrüpp aufmachen. Rosenblau warnte: „Ihr seid unbewaffnet und wollt gegen die Räuber kämpfen? Wir sind vier Räubern und einer Hexe begegnet, aber bestimmt sind viel mehr Räuber in der Höhle. Wir sollten die Räuber überlisten. Wahrscheinlich sind diese Brombeeren verzaubert oder vergiftet. Wir müssen erreichen, dass die Räuber die Beeren essen.“
„Oh ja,“, pflichtete ihr die älteste Großmutter des Dorfes bei. „Mit Kuchen. Wir haben doch schon einmal geschafft, dass die Räuber Kuchen gegessen haben. Ich kenne das Rezept für eine Torte, bei der werden die Räuber nicht mal merken, dass sie ihre eigenen Brombeeren essen.“
Der Plan stand fest. Als die Räuber in der Nacht vermutlich schliefen, schlich sich Rosenblau allein nochmals zur Räuberhöhle, den Weg fand sie problemlos, die Dunkelheit machte für sie ja keinen Unterschied. Einen ganzen Korb voll Brombeeren pflückte sie dort, wobei sie kaum ein Geräusch verursachte, dann schlich sie wieder zurück.
Sogleich buken die Frauen die Torte, im Morgengrauen brachte sie Rosenblau zum Höhleneingang. Sie hoffte nur, dass die Räuber das Fehlen der Beeren an ihren Büschen nicht bemerken würden.
Der Brombeerkuchen duftete verführerisch, kaum wachten die Räuber auf, stürzten sie sich auch schon darauf. Und die Zauberbrombeeren taten ihre Wirkung: nach nur wenigen Bissen vom Kuchen schlief jeder Räuber sofort und auf der Stelle ein. Weil alle so gierig waren, hatte auch der letzte von ihnen schon genug Torte in seinen Mund gestopft, bevor er merkte, was mit den Kumpanen geschah.
Auch für die Hexe hätte es gereicht, aber die hatte Verdacht geschöpft und nichts von dem Kuchen gegessen. Allerdings warnte sie die Räuber auch nicht.
Noch während des Kuchenbackens war eine Bäuerin auf dem einzigen Reitesel des Dorfes zum Schloss geeilt, um die Ritter zur Hilfe zu holen. Die lagen nun in mehreren Gruppen unweit von der Höhle auf der Lauer, und als das laute Schnarchen der Räuber ertönte, stürmten sie die Höhle.
Hätte die Hexe sie verzaubern können? Eigentlich schon. Aber die Hexe hatte gehofft, dass der Kuchen von unbekannten Rettern stammte. Daher war sie sofort zum Prinzen gerannt und hatte dessen Fesseln gelöst. Er stand bereits neben den Brombeerbüschen und gab seinen Rittern Anweisungen.
Aber warum hatte die Hexe geholfen? Sie war nicht freiweillig bei den Räubern. Die Unholde hatten nämlich die Kinder der Hexe entführt und hielten sie an einem geheimen Ort versteckt. Sie drohten die Kinder umzubringen, wenn ihre Mutter nicht die Räuber unterstützte. Nun ergriff die Hexe die Chance, die Räuber zu besiegen und so auch ihre Kinder wieder zu befreien. Als der Prinz dem Räuberhauptmann das Schwert an die Kehle hielt, verriet der sehr schnell, wo diese Kinder gefangen gehalten wurden.
Zuletzt erinnerte sich der Prinz, dass er ja eigentlich auf Bautschau war. Eine weitere Suche schien jedoch unötig: Rosenblau hatte ihn mit ihrer Schönheit, mit ihrem Mut und ihrer Klugheit sehr beeindruckt, gewiss war sie die Richtige. Sofort bat er sie, seine Frau zu werden.
Das blinde Mädchen lächelte, aber gab ihm zur Antwort: „Königliche Hoheit, wie groß diese Ehre für mich ist, kann ich nicht beschreiben. Nur muss ich Sie enttäuschen: ich kann Sie nicht heiraten. Außer meinen Eltern hat in meinem Herzen schon immer Rußschwarzchen den wichtigsten Platz. Er hat stets an mich geglaubt, und an sich selbst. Und keiner hat je so viel liebevolle Rücksicht auf meine Blindheit genommen. Wenn er mich einen Weg entlang führt, dann ist das für mich, als ob ich selbst sehen könnte. Und ich spüre, ihm geht es ähnlich. Verzeihen Sie mir, dass ich Ihre Bitte ablehnen muss. Ich möchte mit Rußschwarzchen weiter im Dorf leben.“
Da erkannte der Prinz, dass die Liebe eben die größte Macht auf Erden ist. Er willigte ein, und natürlich bekamen Rosenblau und Rußschwarzchen die gesamte Belohnung. Sie heirateten bald, und da sie nun die reichsten Leute im Dorf waren, wurden sie von allen geachtet und geschätzt.
Lange lebten sie glücklich mit einander, und wenn sie nicht gestorben sind, dann werden sie auch heute noch von allen im Dorf nur „Herr und Frau Rosenreich“ genannt.

© Bertram der Wanderer und Klasse 4c

Fähigkeiten

Gepostet am

18. November 2019

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