Der Fluss singt den Brücken ein Lied

Textauszüge

Ein Schneeball

Die runde, fast perfekte Form aus watteweichem Schnee,
geformt von lachend‘ Händen eines Kinds,
nur um der Freude willen überhaupt der Welt geschenkt,
strahlt weiß in weißem Kleid in weißer Welt.

Erblickst du dieses funkelnd‘ Wunderwerk aus Lebensfreud‘,
schon zaubert die Erinn’rung dir ein Lächeln ein,
und eingedenk der Kinderzeiten Seligkeit
formt dein Gehirn das zugehörend‘ Wort: SCHNEEBALL.

So liegt er nun und reflektiert in weißer Pracht verzückt
die gleißend‘ Strahlen Erdzentralgestirns.
Und jeder, der ihn sieht, erkennt sofort und zweifelsfrei:
ein Schneeball in verschneiter Parklandschaft.

Da fällt mir ein: Gepresst ist er aus tausendfach‘ Kristall,
und jede seiner Flocken wiederum
besteht aus Fasern fest verdichtet‘ Wasserflüchtigkeit,
für sich betrachtet: Wunder im Atom.
So liegt er nun, der Schneeball, seiner Selbstigkeit bewusst,
doch wer mit scharfen Augen zu ihm blickt,
erkennt: Der Sonne liebend Arme wärmen seine Haut,
kristallen‘ Glitzer Stück um Stück verlischt.

Schon muss er alt und mürbe, schlaff und schlapp
der Zeit sich beugen,
und tropfenweis‘ verliert er die Gestalt,
und löst sich auf, und gibt sich hin,
fließt ein in Gaias Schoß.

Erfüllt von Hoffnung.
Denn er könnt‘
ein Teil der Frühlingsblume werden,
die wiederum am gleichen Ort
sich bald schon formen wird,
aus reinster Lebensfreud‘
der Welt die Farben schenkend,
die jedesmal, wenn du sie siehst,
die Augen zärtlich küssen,
genauso wie der Schneeball der hier liegt,
und dessen Glitzern von der Liebe singt,
die allem innewohnt.

© Werner Danjela Stichnoth

Erwachen

An der Grenze zwischen Nacht und Tag,
nicht mehr schlafend, noch nicht aufgewacht,
Zeit vom Wecker heut‘ nicht totgemacht,
zögernd, wenn ich tastend nach mir frag.

Doch bevor ich anfang‘, mich zu spürn,
fallen fahle Pflichten über mich,
prallt das gestrig‘ Denken voll in sich,
rasen Plastikblitze durch mein Hirn.

Wenn ich endlich stückchenweis mich find‘,
bin ich dann, wie ich gehofft, entspannt?
Strömt ein warmer Fluss durch Fuß und Hand?
lach ich glücklich wie ein kleines Kind?

Oder sind die Muskeln hart wie Stein?
Kauen Kiefer schon an Tages Last?
Sind die Füße schon gefüllt mit Hast?
Funktionier‘ ich schon, anstatt zu sein?

© Werner Danjela Stichnoth