Klasse 3c der Grundschule St. Lantbert, Freising (Schuljahr 2017/2018)

… Zum Glück war Rosenblaus Gehör so gut trainiert, dass sie diese Schritte bereits vernehmen konnte, als sie noch ein ganzes Stück entfernt waren. Rasch raunte sie ihrem Freund zu: „Da kommt jemand. Wir müssen uns verstecken. Wo könnte das gehen?“
Er begriff diesmal so schnell, dass das blinde Mädchen nur staunte. Manchmal hatte er richtige Geistesblitze, irgendwie dachte er dann nicht nach, sondern handelte einfach ganz instinktiv. „Bei den Brombeeren!“, rief er. „Die sind dicht und die Zweige hängen weit runter. Da sieht uns keiner. Aber sei vorsichtig, da sind Dornen dran!“ Schon zog er das Mädchen nach unten und dirigierte sie in der Hocke kriechend hinter das Brombeergestrüpp, wobei er seine Hand immer wieder schützend über die ihre legte, damit die Dornen sie nicht verletzen konnten.
Langsam kamen die Schritte näher, hoffentlich nicht direkt zu dem Brobeerstrauch!
Rosenblau spürte plötzlich einen eigenartigen Luftzug an ihrer Wange. Der Hauch kam seitlich von hinten. Mit einer Hand tastete sie: Offenbar ging der Boden hinter den Brombeeren steil nach oben, wie bei einem Hang. Aber es gab eine Öffnung. „Was ist da?“ wisperte sie.
„Eine große Höhle“, gab der Junge zur Antwort.
„Dann lass uns da hineinschleichen. Dort müssen wir uns verstecken. Aber schnell, die Schritte kommen immer näher!“ Hinter dem Eingang der Höhle gab es eine Ausbuchtung, die halb von einem Felsvorsprung verdeckt war. Daneben führte ein Gang schräg nach unten in den Berg hinein. Rußschwarzchen erkannte, dass das ein gutes Versteck war. Verstecken konnte er sich gut, dieses Spiel mochte er gerne.
Sie schafften es gerade noch, ehe die Brombeerzweige zur Seite gebogen wurden und eine Person in die Höhle trat. Sie trug einen langen schwarzen Mantel und hatte ein schwarzes Tuch vor dem Gesicht. ‚Das muss ein Räuber sein‘, schoss es Rußschwarzchen durch den Kopf und er erstarrte vor Angst.
Rosenblau hingegen hörte, wie die Person mit einer Frauenstimme vor sich hin murnmelte: „Hihi, mein Zauber wirkt noch wunderbar! Die blöden Bauern schnarchen, dass es eine wahre Freude ist. Jetzt muss ich nur noch kontrollieren, ob meine Räuber den Prinzen auch gut bewachen.“
Die beiden Jugendlichen hielten den Atem an und verharrten in ihrem Versteck. Hoffentlich warf die Frau, die ja offensichtlich zu den Räubern gehörte, keinen Blick in ihre Richtug. Aber alles ging gut, die Schritte verhallten in der Tiefe der Höhle.
„W..w…war das ein … Räuber?“, begann Rußschwarzchen endlich zu stottern.
„Nein, eine Hexe oder so, weil sie von ihrem Zauber gesprochen hat. Vielleicht ist sie die Anführerin von den Räubern“, flüsterte seine Freundin zurück.
„Dann ist sie böse! Ich will sie hauen, mit dem Stock, den sie da vorhin verloren hat.“ Rußschwarzchen meinte es wie immer gut, und Rosenblau hatte Mühe ihn zu bremsen. Dann fragte sie wispernd: „Was sagst du von einem Stock? Was hat die Hexe verloren?“
„Ich hole ihn dir“, antwortete er kurz und war schon verschwunden. Aber gleich kam er zurück und hatte einen langen, glatten Stab dabei.
„Den schauen wir uns draußen an. Bitte führ mich hinaus!“ Das Mädchen war es so sehr gewohnt, dass ihr Freund ihr alles beschrieb, dass ihr gar nicht auffiel, wie sie jetzt „schauen“ gesagt hatte. Und es stimmte auch, irgedwie konnte sie mit Hilfe seiner Augen sehen.
Draußen im Tageslicht flüsterte Rußschwarzchen noch immer: „Ein schwarzer Holzstab, ganz glatt, mit weißer Schrift ist etwas draufgeschrieben. Ich kann dummerweise nicht lesen.“
Plötzlich schreckte Rosenblau zusammen. „Psst, da kommt jemand. Viele Pferde, mindestens zehn, mit Männern drauf, ich höre das Klirren von Schwertern und eisenbeschlagenen Lederharnischen. Vielleicht die Ritter des Königs. Als die gestern bei uns durch das Dorf ritten, hörte sich das ähnlich an, nur dass sie da weniger Waffen dabei hatten. Die müssen uns helfen. Ich glaube, sie sind auf einem Weg dort drüben. Kürzen wir schnell quer durch den Wald ab.“
So machten es die beiden, und sie erreichten den Weg gerade, als die Ritter dort entlangkamen. Anscheinend versuchten diese, eine Spur des Prinzen oder der Räuber zu finden.
Dann ging alles ganz schnell. Rosenblau rief den Rittern zu, sie wisse, wo sich die Räuber versteckt hielten. Aber man müsse vorsichtig sein, bei den Räubern sei auch eine Hexe. „Ich habe hier einen Stab, vielleicht ist es der Zauberstab der Hexe, aber ich bin blind und kann nicht lesen, was darauf geschrieben ist.“
Eine tiefe Männerstimme antwortete: „Darf ich es einmal sehen?“ Schon wurde ihr der Stab aus der Hand gezogen, und die Stimme rief: „Hokuspokus simsalabim! Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Wo ist diese Räuberhöhle?“
Rosenblau beschrieb den Weg, dann hörte sie, wie der Mann sofort ein paar Anweisungen gab. Die Ritter riefen: „Zu Befehl, Majestät!“ und ritten los. Erst jetzt wurde dem blinden Mädchen klar, dass sie mit dem König gesprochen hatte, der höchstselbst mit den Rittern hergekommen war, um seinen Sohn zu befreien. Verlegen machte sie eine tiefe Verbeugung in die Richtung, aus der sie die Männerstimme gehört hatte, Rußschwarzchen machte es ihr nach.
Als die Ritter auf schnellstem Weg in die Räuberhöhle eilten, begaben sie sich natürlich in große Gefahr, aber – die Höhle war fast leer. Kein Räuber war dort, nur eine schwarz gekleidete Frau, die wütend vor sich hinschimpfte. Und auf dem Boden lag ein gefesselter junger Mann – der Prinz. Nachdem dieser befreit war, stellte sich heraus, dass die Räuber gar keine menschlichen Räuber gewesen waren, die Hexe hatte sie nur hergezaubert. Und damit sie den Zauberspruch nicht vergaß, hatte sie ihn auf ihren Zauberstab geschrieben. Den Zauberspruch, mit dem man die Räuber herbei- und wieder wegzaubern konnte. Diesen Zauberspruch hatte der König laut vorgelesen – sofort waren die Räuber verschwunden.
Und weil sie ihren Zauberstab verloren hatte, war die Hexe nun machtlos. Zähneknirschend musste sie sich von den Rittern ins Gefängnis bringen lassen.
Der König nahm den Zauberstab an sich und verwahrte ihn gut. Er ordnete an, dass dieser Spruch niemals mehr laut ausgesprochen werden dürfe, so dass die Räuber auch nie wieder herbeigezaubert werden könnten.
Natürlich umarmte der König lange und glücklich seinen Sohn. Aber dann fiel der Prinz vor Rosenblau auf die Knie und bat sie, seine Frau zu werden. Das Mädchen willigte lächend ein, aber nur unter der Bedingung, dass ihr Freund Rußschwarzchen die gesamte Belohnung, die der König ausgesetzt hatte, alleine bekam.
Und Rußschwarzchen freute sich: „Dann kaufe ich mir gaaanz viele Weihnachtsplätzchen. Und ich will dein Trauzeuge werden!“
Das durfte er selbstredend. Doch von den 1000 Goldtalern kaufte er sich nicht nur Weihnachtsplätzchen, sondern auch das schönste Bauernhaus des Dorfes, wo er als Bauer glücklich lebte, mit einigen Knechten und Mägden, die ihm bei der Arbeit halfen. Und die auch wussten, was zu tun war, wenn er sich mal wieder nicht ganz sicher war.
So wurde er der angesehenste Mann im Dorf und lebte lange auf seine Weise genauso glücklich, wie Rosenblau mit ihrem Prinzen lebte. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

© 2018 Bertram der Wanderer und die Kinder der Klasse 3c der Grundschule St. Lantbert, Freising

Fähigkeiten

Gepostet am

18. November 2019

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