2. Klasse der Grundschule Salching (Schuljahr 2017/2018)

(In dieser Version gibt es bei den Räubern keine Hexe, sondern eine Gärtnerin, die besondere Pflanzen züchtet, zum Beispiel den Brombeerstrauch vor dem Eingang der Räuberhöhle, dessen Früchte alle Menschen, die sie essen, für einen ganzen Tag in Schlaf versetzen)

… Das Mädchen Rosenblau war ja blind, ihre Ohren waren besonders gut trainiert. Daher hörte sie diese Schritte schon, als sie noch relativ weit entfernt waren. Zuerst verharrte sie regungslos, wobei sie mit einer Handbewegung ihrem Freund Rußschwarzchen signalisierte, ebenfalls mucksmäuschenstill zu sein. Und der Junge verstand sofort, dass er sich nicht rühren durfte. Gespannt lauschte er ebenfalls.
Nach ein paar Sekunden flüsterte sie: „Da kommen mehrere Leute, vermutlich Männer mit schweren Stiefeln. Vielleicht sind es die Räuber. Sie dürfen uns nicht entdecken.“
„Was sollen wir machen?“, gab ihr Freund flüsternd zurück, er war mit der Situation sichtlich überfordert. Aber Rosenblau hatte schon einen Plan: „Siehst du hier irgendwo einen großen Stein?“
„Ja, gleich neben meinem Fuß“.
„Dann wirf den mal so weit du kannst da hinüber!“ Das Mädchen zeigte von den Brombeeren aus gesehen nach rechts, die Schritte kamen von links. Rußschwarzchen tat unverzüglich, worum sie ihn bat. Wenn er auch vieles in dieser Welt nicht verstand, so spürte er doch, dass er seiner Freundin immer vertrauen konnte. Schon flog der schwere Stein in weitem Bogen über den Weg, auf dem die beiden Jugendlichen gekommen waren, über viele Büsche und Sträucher, bis er krachend im Unterholz landete.
Die Schritte hielten kurz inne, dann war eine tiefe Männerstimme zu vernehmen: „Da ist jemand. Vielleicht Leute, die wir ausrauben können. Oder die Ritter des Königs, die uns verhaften wollen. Schnell, wir schleichen dorthin. Aber vorsichtig!“
Rosenblau hatte also richtig vermutet: das waren die Räuber. Oder ein Teil von ihnen, denn es war gut möglich, dass einige Räuber in ihrem Versteck zurückgeblieben waren, um den entführten Prinzen zu bewachen. Ob die Räuber diese eigenartigen Brombeeren, die jetzt im Mai schon reif waren, gepflanzt hatten? Das Mädchen vermutete, dass diese zumindest giftig sein würden. „Rußschwarzchen, wir müssen uns verstecken, bevor die Räuber merken, dass das mit dem Stein eine List war. Wo?“
„Hinter dem Brombeerstrauch, man kann von der Seite leicht dahinterkriechen“, flüsterte er zurück. „Ich glaube, da kriechen oft Leute durch, komm nur, nimm meine Hand, ich führe dich. Du musst dich nur gut ducken. Und hier sind Dornen, sei vorsichtig!“ Fürsorglich drehte er ihr Gesicht etwas zur Seite und nach unten, damit sie sich nicht an den Brombeeren verletzte. Auf einmal stutze der Junge: „Da… da ist eine Höhle, gleich hinter dem Gestrüpp. Ob das die Räuber-höhle ist, die wir suchen?“ Manchmal zuckten erstaunlich helle Geistesblitze durch sein sonst eher nebelhaftes Denken.
Leider war dieser Geistesblitz so schnell, dass Rußschwarzchen die letzten beiden Sätze ziemlich laut sprach. Die restlichen Räuber, die noch in der Höhle waren, hörten es. Ihr Anführer brüllte sofort: „Männer, da ist jemand vor unser Höhle. Schnell, den schnappen wir!“ Füße mit schweren Stiefeln stürmten auf die beiden Jugendlichen zu, schon wurden sie an den Schultern gepackt, ein anderer Mann rief: „Wir habe sie! Was habt ihr hier zu suchen?“
In Rosenblaus Gehirn arbeiteten fieberhaft die Gedanken: Hier war also wirklich die Räuberhöhle. Die Räuber, die sie mit dem Steinwurf weggelockt hatten, waren vielleicht ausgezogen, um nach möglicher Beute zu suchen. Den Geräuschen und der Anzahl der Arme nach waren hier mindestens nochmal sechs oder „Siesieben Räuber – diese waren wohl in der Höhe zurückgeblieben, vielleicht um den gefangenen Prinzen zu bewachen. Aber jetzt hatten sie sie entdeckt. Wie könnten sie und Rußschwarzchen nur entkommen? Hoffentlich kam ihr Freund nicht auf die Idee, den Helden zu spielen, denn gegen all die Räuber hatten sie nicht den Hauch einer Chance.
Noch während sie so überlegte, hörte sie, wie Rußschwarzchen mit leicht zittriger Stimme dem Räuber antwortete: „Was wir hier machen? Wir… wir… ich muss nur auf’s Klo. Und ich dachte, hier in der Höhle…“
„Und warum ist die andere dabei?“, unterbrach ihn barsch einer der Räuber.
„Weil ich blind bin“, antwortete Rosenblau schnell. „Ich komme alleine nicht zurecht.“ Aus Erfahrung wusste sie, dass sie anderen möglichst rasch von ihrer Blindheit erzählen musste. Auch wenn sie sich gar nicht vorstellen konnte, wie sehen eigentlich ist, musste sie anderen sagen, dass sie nicht sehen konnte, sonst nahm keiner Rücksicht auf sie.
„Sie ist blind und er ist ein Trottel“, brüllte nun der mit der Anführerstimme. „Schaut nur, wie dumm sein Gesicht ist. Die sind harmlos. Lasst sie laufen! Aber eines sag ich dir, Bürschchen…“ Damit wandte er sich an den Jungen: „…hier ist kein Klo. Geh gefälligst hinter einen Busch da draußen oder such dir einen Baum! Und jetzt verschwindet!“ Rosenblau und Rußschwarzchen wurden aus der Höhle geschubst, ins Freie. Zum Glück verletzten sie sich dabei nicht an den Brombeerdornen.
„Was… was tun wir?“, raunte er ihr zu, während sie nach seiner Hand tastete.
Aber Rosenblau hatte schon einen Plan: „Die Höhle muss in einem Berg oder Hügel sein, denn sie war hinter den Brombeeren und wir gingen hinein und nicht hinunter. Es roch nach Erde und feuchten Steinen. Stimmt das? Ist da ein kleiner Berg oder so, in den die Höhle hineinführt?“
„Ja, das hast du richtg gesehen“, bestätigte Rußschwarzchen und wunderte sich nicht einmal darüber, dass das blinde Mädchen das wissen konnte. Er war es gewohnt, dass sie zwar nicht sah, aber mit den anderen Sinnen viel mehr wahrrnahm als die meisten.
„Dann gehen wir mal um den Hügel herum. Vielleicht gibt einen zweiten Eingang von der anderen Seite.“ Der Junge antwortete nicht sondern griff einfach nach der Hand des blinden Mädchens und führte sie vorsichtig am Hügelrand entlang, so wie sie es vorgeschlagen hatte. Nach ein paar hundert Metern blieb er stehen und murmelte: „Du hast Recht, da ist ein anderer Höhleneingang. Ob der zur gleichen Höhle gehört?“
„Das werde ich rasch herausfinden“, sagte Rosenblau nun sehr entschlossen. „Bitte geh du zurück und lenke die Räuber ab. Mach irgendeinen Blödsinn, es ist nur wichtig, dass du ihre Aufmerksamkeit auf dich ziehst. Und ich schleiche mich von hier aus hinein.“
„Aber da drin ist es sehr duster“, gab Rußschwarzchen zu bedenken, das Mädchen aber lächelte: „Das macht für mich ja keinen Unterschied. Ich kann mich im Dunkeln genauso gut vorantasten.“
Gesagt, getan. Bald stand Rußschwarzchen pfeifend vor dem Brombeerbusch, sang trällernd ein Lied, schlug ein paar Purzelbäume. Die Räuber ließen ihn nicht aus den Augen, sein Verhalten war natürlich sehr seltsam. Diese Zeit nutzte Rosenblau: Flink huschte sie auf Zehenspitzen in die Höhle. Es dauerte nicht lange, da vernahm sie leise, gedämpfte Atemzüge, sie schienen vom Boden zu kommen – hier lag der gefesselte und geknebelte Prinz. Die Knoten der Fesseln im Dunkeln zu lösen war für Rosenblaus geschickte Hände ein Kinderspiel. Dann griff sie nach dem Arm des Prinzen und führte ihn durch die dunkle Höhle zum geheimen Hinterausgang – er war befreit. Draußen im Sonnenlicht konnten sie die Rollen tauschen, der Prinz führte nun sie. Sie machten einen Bogen, schlugen sich durch das Dickicht von Büschen und Bäumen und kamen langsam wieder dem normalen Höhleneingang näher. Rosenblau ahmte den Ruf einer Eule nach, Rußschwarzchen begriff sofort, dass sie das war, denn tagsüber hatte er noch nie eine Eule gehört. Schon kam er näher, gemeinsam wanderten die drei unter der Führung des Prinzen auf schnellstem Weg zum Königsschloss, wo der König seinen geretteten Sohn glücklich in die Arme schloss. Dann befahl er seinen Rittern, in den Wald zu reiten und die Räuber allesamt zu verhaften. Keiner sollte seiner gerechten Strafe entgehen. Außerdem ließ er den Schatz-meister rufen, der dem blinden Mädchen und ihrem Freund unverzüglich die versprochene Belohnung von 1000 Goldtalern auszahlen sollte.
Als Rußschwarzchen das hörte, war er enttäuscht: „Und ich dachte, wir kriegen Weihnachtsplätzchen! Weihnachtsplätzchen sind doch die beste Belohnung, die es gibt. Goldtaler schmecken mir gar nicht.“
Der Prinz lachte nur: „Wenn du so gerne Weihnachtsplätzchen magst, dann sollst du die auch noch bekommen. Ich werde sofort in der Küche Bescheid geben. Man soll unverzüglich mit dem Backen anfangen. Du bekommst einen ganzen Korb voll Plätzchen!“
Bis die Plätzchen fertig gebacken und ausgekühlt waren, wurden die Prinzenretter fürstlich bewirtet. Dann machten sie sich mit der Belohnung auf den Heimweg. Rosenblau trug die 1000 Taler in einem Samtsäckchen, und Rußschwarzchen strahlte über das ganze Gesicht, durfte er doch einen ganzen Buckelkorb mit duftenden Plätzchen nach Hause tragen.
Bald merkten die beiden aber, dass sie mehr verband als nur Freundschaft, dass sie in wahrer, tief empfundener Liebe einander zugetan waren. Und so heirateten sie bald und lebten glücklich im Dorf, nun von allen hoch geachtet, waren sie doch dank der Belohnung jetzt die reichsten Bauersleute im Dorf.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann führen sie noch heute ein glückliches und von Liebe erfülltes Leben.

© 2018 Bertram der Wanderer und die Kinder der 2. Klasse der Grundschule Salching

Fähigkeiten

Gepostet am

18. November 2019

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